Drittes
arbeitskreisübergreifendes VNO-Projekt (2019)
Der Haimberg – bedrohtes Kleinod zwischen Rhön und Vogelsberg
Koordination: Elmar Kramm |
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Der Verein für Naturkunde in Osthessen hat ein weiteres arbeitskreisübergreifendes Projekt im Naturschutzgebiet (NSG) „Haimberg bei Mittelrode“ durchgeführt. Die in verschiedenen Teildisziplinen erzielten umfangreichen Ergebnisse werden in einer Monografie dokumentiert, die in der Reihe „Beiträge zur Naturkunde in Osthessen“ erschienen ist. Außerdem sind sie Gegenstand einer Sonderausstellung, die ab 11. März im Vonderau Museum zu sehen ist. Neben Daten zur Flora und Vegetation werden in der Publikation Ergebnisse zur Geologie und zu verschiedenen Tiergruppen wie Heuschrecken, Zweiflüglern, Wespen, Wildbienen, Tag- und Nachtfaltern, Käfern, Wanzen, Mollusken und Vögeln vorgestellt. Die Untersuchungen in dem seit 1990, also seit nunmehr 30 Jahren, mit einer Flächengröße von 66 Hektar bestehenden NSG wurden mit Genehmigung der Oberen Naturschutzbehörde in Kassel über drei Jahre hinweg zumeist ehrenamtlich durchgeführt.
Im untersuchten Gebiet stehen Gesteine des Röt, Muschelkalk, Keuper und
Basalt an.Der Basalt des Haimbergs erweist sich dabei als Relikt eines
Lavasees, der einst die Hohlform eines Maars ausgefüllt hat.
Bemerkenswert sind die Conodontenfunde aus dem Unteren Muschelkalk, die
offenbar alle Elemente des Apparats einer Biospezies enthalten. Aufgrund
seiner besonderen geologischen Verhältnisse
weist der 410 Meter hohe, im Stadtgebiet von Fulda gelegene und
in Nordwest-Südost-Richtung verlaufende markante Einzelberg auf engstem
Raum ein Mosaik aus verschiedenen Biotoptypen sowie eine außerordentlich
artenreiche Flora auf. Diese wiederum bildet die Grundlage für eine
ebenfalls sehr abwechslungsreiche Fauna.
Durch gewissenhafte, mehrjährige Untersuchung konnten so über 1500
Käfer- und mehr als 200 Nachtfalterarten nachgewiesen werden. Die
Schmetterlingsfauna lässt im Vergleich zu den 1930er Jahren
Veränderungen erkennen, die sich teilweise auf die direkte Veränderung des
Lebensraums (veränderte
Waldnutzung, Kalkabbau mit anschließender Verkippung), teilweise auf die
sich anbahnende Klimaerwärmung zurückführen lassen. Zu den prägenden
Biotoptypen dieses auch überregional bedeutsamen Gebietes zählen zum
einen die von
unterschiedlichen Waldgesellschaften gekennzeichneten Waldbestände, die
mit insgesamt etwa 52 Hektar flächenmäßig den größten Teil des
Untersuchungsgebietes einnehmen. Hinzu kommen die sich im Randbereich
befindenden Kalkmagerrasen-Restbestände und trockenen Wiesen. Von
besonderer Bedeutung sind hierbei vor allem die Kalkmagerrasenbereiche.
Denn derartige Flächen sind im Stadtgebiet von Fulda nur noch spärlich
ausgebildet, stellen aber ein ökologisch ausgesprochen wertvolles
floristisches und faunistisches Potenzial dar. Neben dem typischen noch
recht vollständig vorhandenen Arteninventar kommen hier auch einige
Orchideenarten, wie die Fliegen-Ragwurz, vor. Als eine floristische
Besonderheit ist ferner der Österreichische Lein anzusehen.
Kalkmagerrasen sind im Wesentlichen als Ersatzgesellschaft des
Orchideen-Buchenwaldes nach dessen Rodung zu betrachten und verdanken
ihre Existenz einer anschließenden, Jahrhunderte lang ausgeübten
extensiven Nutzung, insbesondere der Schafbeweidung. Daher liegt die
Hauptgefährdung für das Fortbestehen solcher Rasenflächen in der Aufgabe
der ehemals extensiven Nutzung als Schaf- bzw. Ziegenhutung.
Diese durch mangelnde Rentabilität bedingte Nutzungsauflassung führt
dazu, dass vom Rand her Gehölze zunehmend in die offene Rasenfläche
vordringen und deren Verbuschung vorantreiben. Dadurch wird die typische
wärmeliebende Rasenflora allmählich zerstört. Diese potenzielle
Bestandsgefährdung erklärt einerseits eine entsprechende
Schutzwürdigkeit, macht andererseits aber die Anwendung geeigneter
Pflegemaßnahmen als Ersatz für die frühere Bewirtschaftung unbedingt
erforderlich. Denn nur durch eine gezielte Offenhaltung kann dieser
Lebensraum mittel- und langfristig erhalten werden.
Ute Lange
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Basalt in Meilerstellung am Haimberg |
Conodont (M-Element), Chirodella dinodoides; Foto: F. Bielert |
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Blick auf einen Teil der Kalkmagerrasenflächen (Foto: Ute Lange) |
Auf schottrigem Substrat findet das Wimper-Perlgras (Melica ciliata) geeignete Lebensbedingungen (Foto: Ute Lange) |
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Die "Fliege" (Ophrys insectifera) ist eine der im NSG vorkommenden Orchideenart (Foto: Ute Lange) |
Die tiefblauen Blüten des Fransen-Enzians (Gentianopsis ciliata) bestehen aus vier an den Rändern deutlich bewimperten Blütenblättern (Foto: Ute Lange) |
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Die Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia) findet sich in den Kalkmagerrasenflächen am Haimberg noch recht häufig (Foto: Ute Lange) |
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Azurblaue Blüten des Österreichischen Leins (Linum austriacum) (Foto: Ute Lange) |
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Inhalt von Doppelband 55/56 der Beiträge zur Naturkunde in Osthessen Kramm, Elmar: Geologie im Umfeld des Haimbergs bei Mittelrode Flick, Heiner: Geologie des Haimbergs Kramm, Elmar, Bielert, F. & Bielert, U.: Conodonten aus dem Mittleren Wellenkalk (Jena-Formation) vom Haimberg bei Fulda Lange, Ute: Botanische Untersuchungen der Kalkmagerrasen- und Wiesenbereiche am Haimberg bei Mittelrode
Frisch,
Johannes:
Die Käferfauna des Naturschutzgebiets Haimberg bei Mittelrode und
angrenzender Flächen (Insecta, Coleoptera)
Rieser, M., P. Zub, W. Nässig & R. Weyh: Beobachtungen von Schmetterlingen (Lepidoptera) im Naturschutzgebiet „Haimberg bei Mittelrode“ 2016 bis 2018
Morkel,
C: Wanzen (Insecta: Heteroptera) vom Haimberg bei Mittelrode
(Osthessen), mit Anmerkungen zur landesweiten Verbreitung ausgewählter
Arten
Schmalz,
Karl-Heinz:
Wildbienenvorkommen (Insecta, Hymenoptera, Apidae) im NSG „Haimberg bei
Mittelrode“
Frommer,
Ulrich:
Die Wespenfauna des Naturschutzgebietes „Haimberg bei Mittelrode“
Löhr,
Paul-Walter:
Zweiflügler (Diptera) und Pflanzenwespen (Symphyta) aus Fallenfängen vom
NSG Haimberg, Rhön
Frisch,
Johannes:
Die Heuschreckenfauna des Naturschutzgebiets Haimberg bei Mittelrode und
angrenzender Flächen (Insecta, Orthoptera)
Lange,
Udo:
Zur Molluskenfauna des Haimbergs
Bachmann,
H. & C. Wende:
Die Vogelwelt im NSG „Haimberg“ |